Gianni Pettena: 1966–2021
Herausgegeben von Luca Cerizza
Mousse Publishing 2020
Eine Zusammenarbeit von: Kunst Meran Merano Arte, Centro per l'arte contemporanea Luigi Pecci, Prato; MAXXI, Museo nazionale delle arti del XXI secolo, Rom und Parco Archeologico, Pompei
Gianni Pettena: 1966-2021, von Luca Cerizza herausgegeben und von Mousse Publishing veröffentlicht, ist die erste Publikation, die das gesamte Schaffen des „Anarchitekten“ Gianni Pettena zusammenführt. Der Band beinhaltet eine Reihe von weiterführenden Texten, einen umfangreichen Bildteil sowie einen ausführlichen Anhang mit Biografie und Bibliografie.
Die inhaltliche Ausrichtung orientiert sich an der thematischen Gliederung des Buches und wurde von Cerizza durch eine detaillierte Analyse des Werks von Pettena erarbeitet. Sie hebt die wiederkehrenden Rechercheschwerpunkte des Künstlers – abseits jeglicher chronologischen oder formellen Abfolge – hervor, während das in London geführte Gespräch zwischen Pettena und Hans Ulrich Obrist Erinnerungen mit Bestandsaufnahmen verwebt. Andere Texte konzentrieren sich hingegen auf wissenschaftliche Aspekte in Pettenas Praxis oder auf seine Beziehung zu Natur und Zeit, die gerade durch seinen USA-Aufenthalt, durch Gespräche mit Robert Smithson und durch seine Aufmerksamkeit für eine neue mögliche Archäologie der Gegenwart herangereift ist.
Wie eine Timeline – die den Süden mit dem Norden Italiens durch die Vernetzung verschiedener öffentlicher Institutionen des Landes verbindet – artikuliert der Band private und berufliche Etappen des „Anarchitekten“, die anhand der hier eingebundenen Institutionen und der verschiedenen Textbeiträge dargestellt werden.
Kunst Meran Merano Arte hat seinen Beitrag der immerfort präsenten Beziehung Pettenas zu Natur- und Kulturlandschaften im Trentino-Südtirol gewidmet. Gianni Pettena, der selbst in dieser Region geboren und aufgewachsen ist, hat bereits in frühen Jahren eine große Sensibilität für diesen Landstrich entwickelt.
Die Ausstellung Gianni Pettena: Architetture naturali (2. Juli – 24. September 2017, kuratiert von Christiane Rekade in Kunst Meran Merano Arte), verdeutlichte gerade diese enge Bindung, die der Text von Rekade ebenso vertieft reflektiert, indem die Autorin Pettenas Arbeit der experimentellen Szene Südtirols und Österreichs und dem Wirken an der Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur gegenüberstellt.
Der Text von Gianni Pettena selbst erläutert die Motivation dieses Projekts und gestaltet sich zu einer Reflexion über Zeit, Natur und Tod, in Erinnerung an den Kollegen und Freund Walter Pichler.
Gianni Pettena (Bozen, 1940, lebt und arbeitet in Florenz) spielt in der Recherche zu Architektur und Kunst eine wesentliche Rolle, die sich in der zweiten Hälfte der 60iger Jahre an der Fakultät für Architektur in Florenz entfaltet hat und die Germano Celant 1971 als „Architettura radicale” (radikale Architektur) bezeichnet hat. Gemeinsam mit florentinischen Architekten-Gruppen wie Archizoom, 9999, Superstudio, UFO e Zzigguratt oder der Gruppe Strum, hat Pettena zur Verbreitung und zur Redefinition jener Parameter beigetragen, anhand derer „Architektur” gedacht und definiert werden kann. Er bereitete somit den Nährboden vor, der – nicht nur in Italien – die Debatte zu Architektur und Urbanistik jener Jahre auf wesentliche Weise prägte.
Mit Beginn der zweiten Hälfte der 1960iger Jahre, und unabhängig von seinen radikalen florentiner Kollegen, gestaltete sich Pettenas Recherche zu einem anarchischen Ausgangspunkt, der sich gegenüber machtvollen Formen in Politik, Entwicklung und Projekten ironisch und antiautoritär verhielt.
Durch vielfältige formale Ausrichtungen, die Installation, Performance, Fotografie und Video umfassen, ist Gianni Pettena für mehr als 50 Jahre in den Streik für die Liebe zur Architektur getreten, indem er es vorzog, sich nicht in Funktion eines Architekten, sondern durch künstlerischen Ausdruck, didaktische Aktivitäten und das Schreiben von Texten zu artikulieren. Zentrales Element dieser Praxis bildet das konstante Augenmerk auf die Beziehung zwischen Natur und ihren Ressourcen. Gerade in Anbetracht der ökologischen Problemantik und der Klimakrise der heutigen Zeit ist dies von herausragender Bedeutung.
(Luca Cerizza. Deutsche Übersetzung: Kunst Meran Merano Arte)