Zeitworte / Parole del tempo
Literatur, Kunst, Musik und Theater, um über Schlüsselworte unserer Zeit nachzudenken, gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern aus unterschiedlichen Kulturkreisen.
Das Projekt ZEITWORTE / PAROLE DEL TEMPO möchte in regelmäßigen Abständen ein Schlüsselwort unserer Gegenwart ins Zentrum eines multidisziplinären Denkprozesses stellen und damit einen genreübergreifenden Raum für Dialog schaffen.
Literatur, Musik und Kunst finden dank der Kooperation von Edizioni alphabeta Verlag, Conductus Verein und Kunst Meran Merano Arte zusammen, durch ihre jeweils unterschiedliche Herangehensweise entsteht ein facettenreiches Bild unseres Zeitgeistes.
Für das Jahr 2020 fiel die Wahl auf das RESSENTIMENT / RISENTIMENTO.
„Ressentiment, das ist, als ob du Gift zu dir nimmst und dann darauf wartest, dass die andere Person stirbt“, so definiert der Schriftsteller Malachy McCourt jenen Gefühlszustand, den schon Friedrich Nietzsche als eine Art der seelischen Selbstvergiftung beschrieben hatte. Das Ressentiment ist aber nicht allein Ausdruck eines subjektiven Empfindens; heutzutage steht oft seine sozialökonomische Bedeutung im Vordergrund: Formal sind alle Menschen gleich, jedoch bestehen massive Ungleichheiten bezüglich der Verteilung von Macht, Bildung und überlebensnotwendiger Ressourcen. Neid, Missgunst und Ressentiments sind die Folge. Der Begriff ist zugleich individuelle Emotion und Ausdruck einer gesellschaftlichen Befindlichkeit. Diesen unterschiedlichen Bedeutungen gehen die drei teilnehmenden Institutionen auf den Grund.
Edizioni alphabeta Verlag präsentiert die ersten vier Bände der neuen Reihe ZEITWORTE/PAROLE DEL TEMPO, die in Zusammenarbeit mit dem Limbus Verlag Innsbruck entstanden ist. Je fünf deutsch- und italienischsprachige SchriftstellerInnen wurden eingeladen, sich erzählerisch mit dem Gefühlszustand des Ressentiments auseinanderzusetzten. Zehn Erzählungen, die jeweils in die andere Sprache übersetzt worden sind und die eine begriffliche Landkarte der Gegenwart erstellen, um damit geografische, sprachliche und kulturelle Grenzen zu überwinden. Die Werke werden im Rahmen der Projektvorstellung zum ersten Mal gemeinsam präsentiert.
Der Verein Conductus setzt sich in der diesjährigen Ausgabe von SONORA 703 musikalisch mit dem Ressentiment auseinander. Dabei präsentiert das Festival auch international bekannte Akteure aus den Bereichen Theater und Literatur. Diese bedienen sich unterschiedlicher Ausdrucksmöglichkeiten, um das Thema umfangreich zu deklinieren. Das Ressentiment in der Mythologie und die Tragik der Medea, das amouröse Ressentiment in der Poesie des Barock bis hin zu unerbittlich scharfzüngigen Weltanschauungen, zeitgenössischen Kompositionen und Elektronik verleihen dem Konzept historische und künstlerische Tiefe.
Kunst Meran Merano Arte zeigt die Ausstellung RISENTIMENTO / RESSENTIMENT. Dreizehn international agierende KünstlerInnen möchten diesem Gefühl, seinen Untiefen und Windungen nachgehen – sowohl in der persönlichen Wahrnehmung einzelner Personen als auch in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Welche Formen nimmt dieses Gefühl an? Und was sind mögliche künstlerische Positionen dazu? Die Schau will keine deskriptive Haltung einnehmen, sondern konkret nach einem Ausweg aus der Endlosschleife des Ressentiments suchen.
Mit RESSENTIMENT / RISENTIMENTO beziehen sich die Initiatoren des Projekts auf die Brückenfunktion Südtirols als Grenzland, wo verschiedene Sprachen und Kulturen aufeinandertreffen. Dieser Umstand wird zum Ausgangspunkt einer multidisziplinären Reflektion, bei der das Potential unterschiedlicher Sichtweisen Anlass zu einem grenzübergreifenden Dialog zwischen den Künsten gibt.