The Invention of Europe. A tricontinental narrative (2024-2027)
The Invention of Europe. A tricontinental narrative (2024-2027) ist das dreijährige kuratorische Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm kuratiert von Lucrezia Cippitelli e Simone Frangi. Es lädt dazu ein, kritisch über die Idee eines einheitlichen, monolithischen Europas und seine bedeutungsschwangere (essentialistische) Selbsterzählung nachzudenken. Den Ausgangspunkt bildet das mehrsprachige Gebiet zwischen dem „modernen“ Italien und Österreich, deren Gemeinschaften im Laufe der Jahrhunderte ohne große Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort von unterschiedlichen, teils gegnerischen politischen und wirtschaftlichen Kräften regiert wurden.
Der Titel des Programms ist angelehnt an „The Invention of Africa“ des kongolesischen Philosophen Valentin Y. Mudimbe (der hervorhebt, dass die Idee von Afrika eine moderne Erfindung ist, die sowohl mit der europäischen kolonialen Vision - exotisierend und rassistisch - als auch mit der idealen Projektion einer globalen Diaspora verbunden ist). In den drei Jahren von 2024 bis 2027 wird Europa im Mittelpunkt der Überlegungen von Künstler*innen aus Europa sowie aus Afrika, Lateinamerika und Asien stehen. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf dem Erforschen und Hinterfragen der Identität Europas, deren Anfänge bis in die Renaissance zurückreichen. Dabei knüpft die Perspektive der Künstler*innen auf die trikontinentalen Geflechte von Solidarität und Bündnisse an, die sich seit dem Prozess der Dekolonisierung, und somit jahrzehntelang, entwickelt haben.
The Invention of Europe gründet in einer ethischen und ästhetischen Überzeugung, nämlich die Solidität der theoretischen Forschung mit einer ortsspezifischen künstlerischen Prozessualität verbinden zu wollen. Anhand einer Stoßrichtung, die der Komplexität unserer Gegenwart und der Realität Südtirols Rechnung trägt. Dabei ist die Arbeit der eingeladenen internationalen Künstler*innen der Ausgangspunkt für eine gemeinsame Reflexion – nicht nur zwischen Institution und Künstler*innen, sondern vor allem zwischen Kreativprozess und Ort (verstanden als physischer, historischer, kultureller und menschlicher Ort).
Das Programm gestaltet sich für und im Sinne des Kunsthauses: als bewohnbarer Raum und mit spezifischen zeitlichen, geografischen und sozialen Eigenheiten. Es befragt das Umfeld, verortet Handlungsstränge und identifiziert lokale Partner*innen. Mit diesen werden die Ideen und Forschungen der internationalen Künstler*innen mit dem lokalen Publikum – das keine abstrakte und homogene Einheit, sondern eine Gemeinschaft von Individuen mit Erwartungen, Bedürfnissen, Neugier, Fähigkeiten und Vorannahmen ist – in Resonanz gebracht. Das dreijährige Programm bezieht ein Netzwerk von aufstrebenden, mid-career und etablierten Künstler*innen mit ein, die einen transmedialen Ansatz verfolgen und sich anhand einer visuellen, akustischen, performativen und skulpturalen Sprache sowie methodisch, ästhetisch und inhaltlich überzeugend ausdrücken. Es handelt sich um Künstler*innen, die vor Ort forschen und gleichzeitig über globale Sichtbarkeit verfügen: Ihre Arbeit will mitschwingen, sprechen, Fragen aufwerfen, Debatten auslösen und Momente der Lebensbejahung, Gestaltungskraft sowie das Entwickeln neuer Vorstellungswelten unterstützen.
Die Kunst dieses Programms stellt die Möglichkeit dar, die Hierarchien und Disziplinen aufzubrechen, die die Populärkultur von der Hochkultur trennen. Gemäß Stuart Hall schlägt Kunst Meran einen Weg der Analyse und der visuellen Produktion vor, indem über und mit der Welt gesprochen, und indem eigene laufende Debatten zu Fragen der Globalisierung, der Identität und der Restitution geführt werden. Wie Fred Moten und Stefano Harney betrachten wir als Kunst Meran Forschung als einen Prozess des kollektiven Lernens und somit als etwas, „was wir mit anderen Menschen tun. Es ist das Sprechen und Gehen mit anderen, das Arbeiten, Tanzen, Leiden, eine irreduzible Konvergenz dieser drei Dimensionen, die wir unter dem Namen spekulative Praxis zusammenfassen“. Künstlerische Praktiken, kritisches Denken, kulturelle Produktion werden als Nährboden ins Spiel gebracht, in dem die öffentliche Debatte eingebettet wird und durch den die Körperlichkeit der Institution durch denkende Mitbeteiligung modelliert wird.
Die Insubric Line ist die erste Ausstellung im Rahmen des Programms.